Kommt Winter, kommt Schnee. Und kommt Schnee, so gibt es dazu verschiedene Reaktionen: Zuerst einmal Freude über das schöne Weiß – und spätestens ein paar Tage später der Ärger über umgeräumte Straßen, Glatteis, Schneematsch oder auch fliegende Schneebälle.

Eines der beliebtesten Themen für erhitzte Gemüter bei eisigen Temperaturen: Der Winterdienst. Die rechtlichen Grundlagen dafür wurden schon in den „Ortspolizeilichen Vorschriften über den Straßenverkehr und die öffentliche Reinlichkeit“ vom 8. Juni 1882 festgeschrieben und den Bürgern bekannt gemacht.
So heißt es beispielsweiße in den Paragraphen 107 und 108: „Jeder Haus- oder Anwesensbesitzer ist verpflichtet, von den Trottoirs oder Fußwegen längs ihrer Anwesen bei Schneefällen täglich zweimal, nämlich Morgens und Nachmittags, durch Wegräumen des Schnees für Fußgänger eine Bahn zu machen. […] Auf jeweilige polizeiliche Veranlassung ist der Schnee und das Eis von dem Straßenkörper zu entfernen.“ Ferner schien es notwendig, darauf hinzuweisen, dass es verboten ist, „den abgeräumten Schnee dem Nachbarn zuzuschieben.

Der Winterdienst im Einsatz, 1952 (StadtAE VIII.7300.N.2/6)

Erstere Pflicht besteht für die Einwohner Erlangens noch heute, wenn auch die Formulierung dieser Pflicht dahingehend abgeändert wurde, dass „diese Sicherheitsmaßnahmen bis 20.00 Uhr so oft zu wiederholen [sind], wie es zur Verhütung von Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder Besitz erforderlich ist.“ Viel hat sich an der Räum- und Streupflicht für die Bürgerin und den Bürger in den letzten 133 Jahren also nicht verändert.

Ebenfalls nur wenig Veränderung findet sich im Wortlaut der Beschwerdebriefe, welche entweder in den Akten des Stadtrats, oder in den Leserbriefspalten des Erlanger Tagblattes überliefert sind.

So ging am 7. Februar 1910 der Beschwerdebrief eines königlichen Amtsrichters beim Stadtmagistrat ein, der die Zustände der städtischen Straßen kritisierte:

„Zum zweitenmale in diesem Winter machte ich heute morgen die Wahrnehmung, dass die städtische Strassenreinigungsmannschaft erst dann auf dem Plan erscheint, wenn bereits die Kinder in der Schule, die Geschäftsleute im Contor u. die Beamten in den Amtsräumen sind und das an einem Tage, an welchem die ganze vorhergehende Nacht schon klar die Wetterlage u. die drohende Glätte anzeigte, ebenso wie das letztemal.“

Wenig besser fiel das Urteil eines Fuhrwerksbesitzers aus, der im Jahr 1924 folgendes Schreiben an das Erlanger Tagblatt richtete:

„Obwohl ich schon Schutzleute und auch Behörden des öfteren auf die schlechten Wegverhältnisse am Martinsbühler Berg aufmerksam machte, liegt dort noch heute der Schnee, wie er gefallen. Täglich verkehren dort an die 60 Eisfuhrwerke, zahlreiche des Schlachthofes und des Landbezirkes Büchenbach, Alterlangen usw. Wenn man nun täglich sehen muß, wie das Zugvieh abgeschunden und geplagt werden muß, um in der Schneeglätte vorwärts zu kommen, dann versteht man nie, warum der Schnee nicht längst schon geräumt wurde, besonders nachdem dies bei kleineren Straßen mit keinem Verkehr schon längst geschehen ist.“

Doch nicht nur ungeräumte Straßen, auch nicht abfließendes Tauwasser und Schneematsch auf den Straßen gaben den Bürgern Anlass zur Kritik. Trotz der Verärgerung, die er beim Verfassen seines Briefes an das Stadtbauamt empfunden haben mag, entdeckte dieser Beschwerdeführer im Januar 1941 sogar seine lyrische Ader:

„Es wär gar sehr zu begrüßen,
wenn endlich das Bauamt wollte beschließen,
daß künftig, ‘s ist Ernst und kein Spaß,
in Ringbahn- und Zeppelinstraß‘
Motorboote sollten verkehren,
da Sümpfe und Seen dort den Durchgang verwehren.

Und wenn man vom Bauamt den Platz will begehen,
wie üblich es ist, die Sachlag‘ besehen,
so mög‘ man mit Korkwest ‘ sich wehren
und Rettungsgürtel, der Ort wird es lehren:
Wir brauchen nicht Hoch- und nicht Untergrundbahn,
wir fangen jetzt gleich mit der Stadtschiffahrt an!“

Weit weniger lyrisch, dafür aber ein ganzes Stück kritischer fiel der Brief eines Herrn aus dem Jahr 1958 aus, welcher direkt an den Oberbürgermeister gerichtet wurde:

„Überhaupt ist der Einsatz Ihrer Polizei beim Einsatz für die Sicherheit der Bürger im Winter unter aller Kanone. Daß muß einmal ausgesprochen werden, denn das ist die Meinung vieler ‚Zugereister‘. Wir sind es nämlich aus Berlin her noch gewöhnt, daß auch bei heftigem Schneefall die Gehsteige sauber und gestreut waren, wenn der Berufsverkehr einsetzte.“

Solch einen Nachhall fand dieser Schrieb, dass sowohl Bauhof als auch Polizeiamt eine Stellungnahme dazu abgaben. Der zuständige Polizeibeamte formulierte seine Meinung dazu wie folgt:

„Was das Beispiel mit Berlin anbelangt, möge dem Beschwerdeführer gesagt sein, daß der Unterzeichnete in den letzten Jahren mehrfach Berlin besuchte und nach mehrtägiger Beobachtung, besonders der Polizeiverhältnisse, festgestellt hat, daß auch in Berlin die Polizei nur mit Wasser kocht.“

So wenig sich also am Ton der Beschwerde- und Leserbriefe geändert hat, soviel Veränderung gab es im Winterdienst selbst. Übernahmen anfangs vor allem die Arbeiter des Städtischen Bauamtes das Räumen der Straßen und Plätze, so war es in Jahren mit außergewöhnlichen Schneefällen auch nötig, weitere Arbeiter heranzuziehen.

Kleiner Schneepflug zum Räumen von Radwegen im Einsatz, 1956 (StadtAE VIII.8114.N.2/4)

So führte zum Beispiel 1929 ein „anormaler Winter“ dazu, dass in Zeiten äußerst klammer kommunaler Kassen Hilfsarbeiter, welche durch das Wohlfahrtsamt vermittelt wurden, für Schneeräumungsarbeiten angestellt werden mussten. Deren Lohn wurde mit einem Kredit in Höhe von 10.000 RM beschafft. Um überhaupt etwas Positives vermelden zu können (im Winter 1929 hatte sich sogar das Erlanger Tagblatt in seinen Artikeln auf die Straßenreinigung der Stadt „eingeschossen“), wurde ein vergleichender Bericht für die Presse verfasst, in welchem erläutert wurde, dass die Stadt Erlangen nur 8.500 RM dieses Kredites verbraucht habe, während „z.B. in Hof a.d.Saale rd. 40.000 RM […], in Bamberg rd. 25.000 RM, in München rd. ¾ Million RM, in Nürnberg täglich 12.00 RM“ für den Winterdienst ausgegeben wurden.

Solche extremen Schneefälle wiederholten sich auch im Dezember 1940 und Anfang Januar 1941. Hier wurden neben städtischen Arbeitern auch Angehörige der in Erlangen stationierten Truppenteile der Wehrmacht, sowie Kriegsgefangene aus Bruck eingesetzt. Für diesen Zeitraum findet sich eine Aufstellung über die geleisteten Arbeiten:

„1668 Tagschichten                        von städt. Arbeitern einschl. der Gefangenen
1135 Tagschichten                          von Wehrmachtsangehörigen
132 Tagschichten                            von Fahrzeugen der Wehrmacht
57 Tagschichten                              von privaten Fahrzeugen
14 Tagschichten                              von Lastkraftwagen der Wehrmacht
48 Tagschichten                              von städt. u. privaten Lastkraftwagen“

Streumittel der Wahl war, neben Asche und Salz in den Anfangsjahren, vor allem Sand. Dieser wurde aus einer Sandgrube, beispielsweiße bei Spardorf, mit Anhängern und LKWs abgefahren und von den Arbeitern per Hand auf die Straße aufgebracht, um gegen die Glätte anzukämpfen. Die Schneemassen selbst wurden aufgeladen und an Sammelstellen am Schwabach- oder Regnitzufer verbracht. Später erleichterte sich die Arbeit der „Winterdienstler“ durch Maschinen wie den „Schnee-Zwerg“ zur Reinigung von Gehwegen, Schneepflüge für die Straßen, und Kreiselstreuer für das Ausbringen von Streugut.

Der "Schnee-Zwerg", eine Fräse zum Räumen von Gehwegen im Einsatz, 1958 (StadtAE VI.G.b.758)

Laufenden Änderungen unterlag die Arbeit im Winterdienst natürlich auch durch das beständige Wachstum der Stadt. War noch 1959 „ein ausgebautes Straßennetz von 110 km Länge“ im Normalfall durch die 10köpfige Haupteinsatzkolonne des Bauhofes zu bewältigen, so stieg die Größe des zu räumenden Gebietes bis heute ständig an. Obwohl man sich mittlerweile auf die Hauptverkehrsstraßen beschränkte, musste 1966 ein Straßennetz von 95 km, 1987 eine Fläche von 125 Kilometern geräumt werden. Heute kümmern sich die Mitarbeiter des Betriebes für Stadtgrün, Abfallwirtschaft und Straßenreinigung um 163 Kilometer Hauptverkehrsachsen, sowie 120 Kilometer gesonderte Radwege.

Neben all der Kritik soll hier aber auch das Lob nicht außer Acht gelassen werden. Als „Menschen […] die in dem Einsatz gegen die Gefahren des winterlichen Wetters stehen“ und damit rechnen müssen, von den „Weckern in ihren Wohnungen […] auch mitten in der Nacht zum Einsatz gerufen zu werden“ haben sie das sicherlich auch verdient.

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