Das Neumarkter Tagblatt im Ersten Weltkrieg - Ein Erschliessungsprojekt

Bei aller absolut notwendiger historischer Quellenkritik atmen sie doch den Zeitgeist intensiver und enthalten Informationen des Alltagslebens, die man in Verwaltungsakten oft nicht finden kann: Zeitungen geben Fakten der "großen und kleinen Geschichte" wider, in Kriegszeiten beinahe notwendigerweise aber auch versuchte Manipulationen und Propaganda. Archivwissenschaftlich werden sie zum Sammlungsgut gerechnet, zählen also nicht zum klassischen Archivgut. Sie stellen in vielen Kommunalarchiven aber dennoch eine unverzichtbare Quelle zur Erforschung der Heimatgeschichte dar. Verglichen mit den hohen Auflagezahlen sind die heute noch erhaltenen Originale oft eine Seltenheit, besonders je älter die Ausgaben sind.

Zwischen den Torbögen das Anwesen Obere Marktstraße 8, von 1482 bis 1621 Schultheißenamt (Stadtarchiv Neumarkt, Heinrich-Negative 8/5050)

1911 Einzug des Neumarkter Tagblatts und Neugestaltung der Fassade, hier eine Aufnahme zwischen 1914 und 1918 (Stadtarchiv Neumarkt, Heinrich-Negative 1/333)

Ausgaben des Neumarkter Tagblatts aus der frühen Druckphase der Zeitung, deren Druck 1886 begann, bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs sind sehr selten. Einige Exemplare schlummern wohl noch auf den Dachböden mancher Landkreisbewohner, aber vollständige Monate oder gar Jahrgänge sind kaum noch zu finden. Löblich ist hier die Tätigkeit der Bibliotheken. Die Bayerische Staatsbibliothek in München besitzt eine umfangreiche Sammlung des Neumarkter Tagblatts von 1894 und 1904 bis 1935 sowie der Nachfolgezeitungen Bayerische Ostmark, Ausgabe Neumarkt von 1934 bis 1942 sowie des Steinpfalzboten von 1944 bis April 1945. Die Universitätsbibliothek Eichstätt (1893 bis 1895, 1906 bis 1934) und die Universitätsbibliothek Regensburg (1932 und 1934 bis 1942) haben auch umfangreiche Bestände. Erstere verdankt sie dem Pfarrer Michael Romstöck, in dessen Nachlass sich die Zeitungen befanden. Nutzungsspuren wie Unterstreichungen zeigen hier persönliche Interessen des Lesers und sind für biographische Forschungen aufschlussreich. Der Archivar liebt solche mit Tinte oder Kugelschreiber an seinem Archivgut hinzugefügte Hervorhebungen eher nicht.

Zweite Seite des Neumarkter Tagblatts vom 4. Januar 1916 mit zwei Anmerkungen Pfarrer Romstöcks (Universitätsbibliothek Eichstätt 03/AZ 97700-30)

Auch das Stadtarchiv Neumarkt hat einen größeren Zeitungsbestand (Neumarkter Tagblatt 1895 bis heute) und Neumarkter Nachrichten 1969 bis heute), der den Wandel dieses Printmediums von den wenige Blätter umfassenden Ausgaben mit viel Text über die schwarz-weiß bebilderten Exemplare und später farbigen Varianten bis zum E-Paper anschaulich dokumentiert. Die in Eichstätt und Regensburg fehlenden Ausgaben der Kriegszeit 1943 bis 1944 haben sich zum Teil in Neumarkt (April bis September 1943 und Mai bis Oktober 1944) erhalten.

Da aber wichtige Jahrgänge im Stadtarchiv Neumarkt fehlen (z.B. 1916, 1917, 1933 bis 1935), fuhr man für eine Darstellung der Geschichte Neumarkts während der Zeit des Nationalsozialismus zu Recherchen nach München, um dort wichtige Artikel im Volltext zu erfassen bzw. kurze Notizen zu machen. Daraus entstand der Wunsch, alle Neumarkt (Stadt und Eingemeindungen von 1972) betreffenden Zeitungsartikel im Volltext durch das Verzeichnungsprogramm Faust zu erfassen. Dieses ambitionierte Projekt ist weit gediehen, aber noch lange nicht abgeschlossen. Ein kleiner erster Teilerfolg kann nun im WorldWideWeb präsentiert werden: 100 Jahre nach dem letzte Kriegsjahr des Ersten Weltkriegs können alle Ausgaben des Neumarkter Tagblatts aus der Kriegszeit von August 1914 bis November 1918 mit der Recherchemaske als Bilddateien aufgerufen werden. Zusätzlich sind alle Artikel mit einem Bezug zu Neumarkt und den Gemeinden Helena, Holzheim, Labersricht, Lippertshofen, Mühlen, Pelchenhofen, Pölling, Stauf und Tyrolsberg/Woffenbach z.B. mit Volltextsuche recherchierbar (z.B. Reservelazarett, Kriegsauszeichnungen, Kriegsgefangene etc.). Beispielsweise wurden für das Jahr 1917 104.426 Worte mit 643.648 Zeichen abgeschrieben. Bei dieser Menge abgeschriebener Texte bleiben Tippfehler nicht aus, wofür an dieser Stelle um Nachsicht gebeten werden soll. Für Hinweise sind wir durchaus dankbar und korrigieren entdeckte Schreibfehler gerne. Dabei sollte bedacht werden, dass die Orthographie des Originals bei der Abschrift weitestgehend beibehalten wurde.

Möglich wurde das Projekt durch die freundlicherweise von der Mittelbayerischen Zeitung vertraglich erteilte Genehmigung, das Neumarkter Tagblatt und die Folgezeitungen bis 1945 im Internet veröffentlichen zu dürfen, und die Erlaubnis der Universitätsbibliothek zur Reprofotografie aus ihren Zeitungsbeständen, hier der Jahrgänge 1914 (zweite Jahreshälfte), 1916 und 1917. Beiden sei an dieser Stelle herzlich gedankt.

Titelseite des Neumarkter Tagblatts vom 2. Juli 1914 (Universitätsbibliothek Eichstätt 03/AZ 97700-28)

Demnächst aus Ihrem Stadtarchiv: Die Bereitstellung des Neumarkter Tagblatts im Internet wird fortgesetzt. Zur Einpflege sind zunächst die Ausgaben der ersten Jahreshälfte 1914, die - leider lückenhaften - Bestände 1939 bis 1944 und die Jahre vor 1914 vorgesehen. Das Ziel des Projekts wäre eine Erfassung aller Ausgaben des Neumarkter Tagblatts bis 1945 als Bilddateien bzw. die Volltexterfassung aller das Gebiet der heutigen Großen Kreisstadt Neumarkt betreffenden Einzelartikel. Es gibt noch viel zu tun, packen wir's an!

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