Ein unbekannter Fotoschatz im Stadtarchiv Nürnberg: Die Bilder des Nürnberger Kaufmanns und Alpinisten Alfred Cohn

Als Alfred Cohn in den 1920er Jahren seine Touren in den Alpen unternahm, waren Bergsteigen und Hochgebirgswandern zwar noch kein Massensport, hatten aber schon lange an Exklusivität eingebüßt. Die Zeit der Erstbesteigungen der legendären Viertausender lag bereits über ein halbes Jahrhundert zurück. Dies trifft auch auf die Alpinfotografie zu: Ihre Ausübung stellte keine Pionierleistung mehr dar. Mit der Entwicklung leichterer und einfach handhabbarer Kameras sowie der Erfindung der Negativtrockenplatte wurde sie zu einem von Amateuren mit großer Begeisterung ausgeübten Hobby.

Matterhorn vom Hörnli, Sommer 1926.

Matterhorn vom Hörnli, Sommer 1926.

Gipfelwechte mit den Grajischen Alpen. Sommer 1928.

Gipfelwechte mit den Grajischen Alpen. Sommer 1928.

Was unterscheidet Cohn von all den anderen, die damals in ihrer Freizeit, beim Wandern und auf Reisen, mit dem Fotoapparat unterwegs waren? Da ist zunächst einmal der Umfang seiner Arbeiten. Von seiner etwa 800 Fotografien umfassenden Sammlung, die sich heute in Argentinien befindet, widmen sich etwas weniger als die Hälfte der Hochgebirgslandschaft. In erster Linie ist es aber der dezidiert künstlerische Anspruch, mit dem er seine Sujets ablichtete. Cohn bediente sich dabei der gesamten Topoi der Landschaftsfotografie, die Mitte des 19. Jahrhunderts festgeschrieben worden waren: Der Blick vom erklommenen Gipfel oder Hochplateau in die Weite der Landschaft mit ihren imposanten, hintereinander gestaffelten Gebirgsketten gehörte ebenso dazu wie die Ansichten schneebedeckter Gipfel, die aus dem Wolkenmeer herausragen, oder die Nahsicht auf Felsformationen, Berggrate und Gletscherspalten. Dabei zeugt sein Gespür für Kontraste und dramatische Bildwirkungen von einer hohen künstlerischen Sensibilität. Eine Ansicht wie die der Gipfelwechte des Grand Combin zeigt nicht allein die besondere Schönheit der Hochgebirgslandschaft. In der Gegenüberstellung der bizarr aufragenden hellen Schneefläche im Vordergrund und der Gebirgskette der Grajischen Alpen im Hintergrund entfaltet das Naturphänomen der Wechte, eines durch Wind angewehten Schneeüberhangs, seine ästhetische Wirkung.

 

Vom Rothormgletscher gegen die Monte Rosa-Gruppe, im Vordergrund Theodor Kronig. Sommer 1929.

Vom Rothormgletscher gegen die Monte Rosa-Gruppe, im Vordergrund Theodor Kronig. Sommer 1929.

Wohldurchdachte und komponierte Aufnahmen, die deutlich Kenntnisse der Kunstgeschichte verraten, machen den Großteil der Sammlung aus. So erinnert die Ansicht der Monte Rosa-Gruppe Anklänge an die Landschaftsmalerei der Romantik, und das Panorama vom Gran Paradiso nach Südosten rezipiert mit dem einsamen Wanderer, der in Rückenansicht auf Felsklippen steht und auf das schneebedeckte Hochgebirge hinausblickt, Caspar David Friedrichs berühmtes Gemälde Der Wanderer über dem Nebelmeer.

Vom Gran Paradiso gegen Südosten, im Vordergrund Alfred Cohn auf den Felsklippen. Sommer 1928

Vom Gran Paradiso gegen Südosten, im Vordergrund Alfred Cohn auf den Felsklippen. Sommer 1928

Bergführer Arnold aus dem Simplon auf der Weissmieshütte. Sommer 1929.

Bergführer Arnold aus dem Simplon auf der Weissmieshütte. Sommer 1929.

Was in seinem Werk hingegen fehlt, sind die die typischen Szenen der Geselligkeit, die vom Leben auf den Hütten oder den Aufenthalten in den Tälern erzählen und die damals Eingang in die privaten Fotoalben fanden. Dagegen vermittelt sein Porträt Führer Arnold aus dem Simplon auf der Weissmieshütte den künstlerisch geschulten Blick auf Personen und Dinge: Den an einem Tisch sitzenden Bergführer arrangierte er zusammen mit dem vor ihm platzierten Geschirr und dem Laib Brot zu einem stimmungsvollen Stillleben.

Heute sind die Alpen ein Tummelplatz für Sportaction und Entertainment. Das Leise, die Abgeschiedenheit und in sich ruhende Stille, die der Bergwelt auf den Schwarz-Weiß-Fotografien von Alfred Cohn noch eigen ist, und auf der die Faszination dieser vor 90 Jahren entstandenen Lichtbilder beruht, sie sucht man auf aktuellen Aufnahmen fotografierender Freizeit-Alpinisten oftmals vergeblich. Als kontemplative Gegenwelt zur urbanen Hast hat der Philosoph Ernst Bloch die Alpen einst beschrieben, und die Bilder von Alfred Cohn lassen uns in darin eintauchen.

Gran Testa di By, Les Luisettes, Sonadon-Gletscher vom Col zwischen Grand Combin de Valsorey und Grand Combin. Sommer 1928.

Gran Testa di By, Les Luisettes, Sonadon-Gletscher vom Col zwischen Grand Combin de Valsorey und Grand Combin. Sommer 1928.

Besuchen Sie unsere Ausstellung „Höher geht´s nimmer“. Die Welt der Viertausender bis zum 26. September 2017 im Stadtarchiv Nürnberg, Marientorgraben 8. Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag, 8.30 bis 17 Uhr, Freitag, 8.30 bis 21 Uhr, Sonntag 10 bis 17 Uhr. Eintritt frei. Zur Ausstellung ist ein reich bebildeter und 315 Seiten starker Katalog für den Preis von EUR 24 erhältlich.

Informationen zum Ausstellungskatalog

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