Vor 50 Jahren, am 31. August 1966, verstarb der am 25. Juni 1890 geborene Politiker und Pädagoge Ludwig Ritter von Rudolph.

Foto von Ludwig Ritter von Rudolph in Uniform, August 1917

Foto von Ludwig Ritter von Rudolph in Uniform, August 1917 (Stadtarchiv Nürnberg E 10/24 Nr. 10.1).

Bereits Vater und Großvater Rudolph waren im Gemeindekollegium von Nürnberg politisch als „Freisinnige“ aktiv. Rudolph folgte durch den Besuch der Lehrerausbildungsanstalt in Schwabach in beruflicher Hinsicht zunächst dem Vater, der ebenfalls Lehrer und später Bezirksschulrat in Nürnberg war.

Nach Beendigung der pädagogischen Ausbildung trat er 1909 als Einjährig-Freiwilliger dem 14. Bayerischen Infanterieregiment bei und wurde durch Übungslehrgänge 1911-1914 in Amberg und Mainberg bei Schweinfurt zum Reserveoffizier ausgebildet Zeitgleich arbeitete er als Hilfslehrer, und nach der Anstellungsprüfung 1913 als Hauptlehrer im Nürnberger städtischen Schuldienst.

Bericht über die Teilnahme des 20. Bayerischen Reserve Infanterie Regiments am Ersten Weltkrieg, geschrieben 1925/26, überarbeitet und Ludwig Ritter von Rudolph übergeben am 30. Oktober 1964

Bericht über die Teilnahme des 20. Bayerischen Reserve Infanterie Regiments am Ersten Weltkrieg, geschrieben 1925/26, überarbeitet und Ludwig Ritter von Rudolph übergeben am 30. Oktober 1964 (Stadtarchiv Nürnberg E 10/24 Nr. 47).

Im Oktober 1914 zog er als Freiwilliger (20. Bayerisches Reserve-Infanterieregiment der 6. Bayerischen Reserve-Division) in den Ersten Weltkrieg. Hier erhielt Rudolph am 12. März 1915 als erster Volksschullehrer den persönlichen Adelstitel als Ritter des bayerischen Militär-Max-Joseph-Ordens. Als Truppenoffizier hatte er in der Schlacht bei Neuve-Chapelle (heute Teil von Béthune südwestlich von Lille, 10.-12. März 1915) eine neue Frontlinie gegen die Offensive der British Expeditionary Force (Truppenkontingent der British Army, unterstützt von Einheiten aus Kanada und Indien) aufgebaut.

Kriegerdenkmal für die Gefallenen des 20. Bayerischen Reserve Infanterie Regiments

Kriegerdenkmal für die Gefallenen des 20. Bayerischen Reserve Infanterie Regiments (eingeklebt in: Stadtarchiv Nürnberg E 10/24 Nr. 47).

Nach dem Ersten Weltkrieg engagierte sich Rudolph im Frühjahr 1919 zunächst im Freikorps „Oberland“ der Schützenbrigade Epp, das er nach „ersten Anzeichen des völkischen Irrglaubens“ (so die Angaben im Lebenslauf des Ludwig Ritter von Rudolph vom 24. Februar 1946 mit Ergänzungen seiner Ehefrau Anita von Rudolph vom

November 1967, StadtAN E 10/24 Nr. 11) wieder verließ. Er nahm nach dem Krieg wieder seine Tätigkeit als Volksschullehrer auf, 1920-1922 zudem im Nebenamt als Lehrer bei der Landespolizei in Nürnberg.

Über die Jugendorganisation der Deutschen Demokratischen Partei in Bayern fand von Rudolph Anschluss an die in Nürnberg prominent repräsentierte linksliberale Partei, im September 1925 wurde er Mitglied der DDP. 1924 und 1933 bereiste er Norwegen, die Niederlande, Belgien, Frankreich, Spanien, Nordafrika, die Tschechoslowakei, Österreich, Schweiz, Italien, das damalige Jugoslawien und Griechenland, redete auf etwa 200 liberaldemokratischen Versammlungen und publizierte zahllose Artikel in der liberalen Presse, vorwiegend in der „Frankfurter Zeitung“. Zwischen 1928 und und 1933 kandidierte er mehrfach für den Reichstag und den bayerischen Landtag. Von Januar 1931 bis März 1933 war er erster Vorsitzender der DDP in Nürnberg. Während der 1920er Jahre zählten die bedeutendsten Liberalen Nürnbergs zu seinem Freundeskreis. Besonders eng war sein Verhältnis zum Nürnberger Oberbürgermeister der Weimarer Zeit Dr. Hermann Luppe (1874-1945, Nürnberger Oberbürgermeister 1920-1933).

„Der Dolchstoßprozeß“, München 1925 (Buchtitel)

Buch „Der Dolchstoßprozeß“, München 1925 (Buchtitel) Stadtarchiv Nürnberg E 10/24 Nr. 83).

 

Um Ludwig von Rudolph als Politiker einschätzen zu können, sei nur die Tatsache angeführt, dass er am 11. November 1925 im Münchener „Dolchstoßprozess“ als freiwilliger Zeuge auftrat, woraufhin er aus dem Kreis des Max-Joseph-Ordens, der ihm 1915 den persönlichen Adel eingebracht hatte, ausgeschlossen wurde (die „Wiederaufnahme“ erfolgte erst am 12. Oktober 1954). Die Dolchstoßlegende war eine in der Endphase des Ersten Weltkriegs von der deutschen Obersten Heeresleitung in die Welt gesetzte Verschwörungstheorie, die die Schuld an der von ihr verantworteten militärischen Niederlage des Deutschen Reiches vor allem auf die Sozialdemokratie und andere demokratische Politiker abwälzen sollte. Sie besagte, das deutsche Heer sei im Weltkrieg „im Felde unbesiegt“ geblieben und habe erst durch oppositionelle „vaterlandslose“ Zivilisten aus der Heimat einen „Dolchstoß in den Rücken“ erhalten.

Zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft zog Ludwig von Rudolph sich zunächst freiwillig aus dem politischen Leben zurück, fand dann aber über Thomas Dehler Kontakt zum aktiven politischen Widerstand. Von Rudolph war zwar politischen Angriffen ausgesetzt, konnte aber unentdeckt bleiben. Im Frühjahr 1944 zog er mit seiner Schulklasse aus Gründen des Luftschutzes nach Neuendettelsau.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er am 10. Oktober 1945 von den Besatzungsbehörden als Regierungs- und Schulrat eingesetzt. Er kümmerte sich zunächst vor allem um den Ausbau der Erwachsenenbildung in Bayern, so u.a. als Mitbegründer des Bayerischen Landesverbandes für freie Volkshochschulen.

Foto von Ludwig Ritter von Rudolph, 28. Oktober 1954

Foto von Ludwig Ritter von Rudolph, 28. Oktober 1954 (Stadtarchiv Nürnberg E 10/24 Nr. 10.2).

Bereits im Januar 1946 trat er auch der neu gegründeten DDP wieder bei, wenig später der FDP in Bayern, für die er im Juli 1946 für die Verfassunggebende Landesversammlung kandidierte. Für die FDP bewarb er sich bereits 1946 für ein Mandat im Bayerischen Landtag und zog als Nachrücker für den am 26. September in den Bundestag gewählten Thomas Dehler am 1. Oktober 1949 auch in den Landtag ein. Wegen politischer Meinungsverschiedenheiten verließ Ludwig von Rudolph im März 1950 die FDP und schloss sich der SPD an. Sein Landtagsmandat endete trotz abermaliger Kandidatur am 27.11.1954.

Als Landtagsmitglied engagierte sich von Rudolph vor allem in kulturpolitischen Fragen. Er wirkte auf dem Bildungs- und Kultursektor, förderte die Einrichtung des Instituts für Zeitgeschichte in München, erwirkte Zuschüsse für den Wiederaufbau der Sebaldus- und der Egidienkirche und die Einrichtung einer Professur für Goldschmiedekunst an der Akademie für Bildende Künste in Nürnberg. Sein Antrag vom September 1952, die berühmten Apostel-Bilder von Albrecht Dürer nach Nürnberg zurückzuführen, scheiterte jedoch.

Umschlagseite von Ludwig Ritter von Rudolphs Buch „Die Lüge, die nicht stirbt – Die „Dolchstoßlegende“ von 1918, Verlag Glock und Lutz

Umschlagseite von Ludwig Ritter von Rudolphs Buch „Die Lüge, die nicht stirbt – Die „Dolchstoßlegende“ von 1918, Verlag Glock und Lutz, Nürnberg 1958 (Stadtarchiv Nürnberg E 10/24 Nr. 82).

Nach seiner Zeit als Landtagsabgeordneter war er, seit 1952 wieder in Nürnberg wohnend, überwiegend als Dozent der Volkshochschule für Themen der Zeitgeschichte und – wie es damals hieß – der staatsbürgerlichen Erziehung tätig. Außerdem engagierte er sich vor allem im Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge. Seit dem Ersten Weltkrieg ließ ihn die Erfahrung der „Urkatastrophe Europas“ nicht mehr los. In von Rudolphs umfangreichem schriftstellerischen Werk ist deshalb sein 1958 – 40 Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs – erschienenes Werk „Die Lüge, die nicht stirbt – der Dolchstoß von 1918“ (Verlag Glock und Lutz, Nürnberg) besonders hervorzuheben.

Von Rudolph pflegte sowohl als Politiker als auch als Privatmann ausgiebigen Briefkontakt. Zu seinen bekannteren Korrespondenzpartnern zählten der erste Bundeskanzler Konrad Adenauer wie auch der erste Bundespräsident Theodor Heuß, aber auch der bayerische Ministerpräsident Hans Ehard und die bayerischen Minister Wilhelm Hoegner, Josef Schwalber und Alois Hundhammer sowie der Landesbischof der evangelisch-lutherischen Landeskirche in Bayern Hans Meisner. Auch zu zahlreichen aus Nürnberg emigrierten ehemaligen Nürnberger jüdischen Familien hielt von Rudolph engen brieflichen Kontakt, so zu Fritz Josephthal in London und später New York, zu Henry G. Grant (ehemals Gutmann) in St. Louis, Missouri und Albrecht J. Rosenthal in Washington D.C. Umfangreich ist seine Korrespondenz mit dem Nürnberger Volkswirt und Verleger Joseph E. Drexel.

Ludwig Ritter von Rudolph verstarb am 31. August 1966 in Nürnberg. Das Stadtarchiv verwahrt seit 1967/68 seinen Nachlass.

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