Es geschah vor 700 Jahren

Westfassade der Frauenkirche am Hauptmarkt, Kunstuhr „Männleinlaufen“, Fotografie Julia Kraus 2015 (Stadtarchiv Nürnberg A 96 Nr. 3358)

Westfassade der Frauenkirche am Hauptmarkt, Kunstuhr „Männleinlaufen“, Fotografie Julia Kraus 2015 (Stadtarchiv Nürnberg A 96 Nr. 3358)

Schöner Brunnen, Figur Kaiser Karls IV., 1956 (Stadtarchiv Nürnberg A 55/I Nr. 12-13-5)

Schöner Brunnen, Figur Kaiser Karls IV., 1956 (Stadtarchiv Nürnberg A 55/I Nr. 12-13-5)

Vor 700 Jahren, am 14. Mai 1316 wurde der spätere römisch-deutsche Kaiser Karl IV. unter dem Taufnamen Wenzel in Prag geboren. Sein Vater war König Johann von Böhmen aus dem Hause Luxemburg (1296-1346, König seit 1311), seine Mutter Elisabeth (1292-1330) Erbin der Přemysliden-Könige von Böhmen. Zwischen 1323 und 1330 wurde Wenzel/Karl wegen des Zerwürfnisses seiner Eltern am französischen Königshof bei seinem Onkel, König Karl IV. dem Schönen (Charles IV le Bel) von Frankreich (1295-1328, König seit 1322), erzogen, dort wurde er siebenjährig auf den Namen Karl gefirmt. Sein Erzieher Pierre Roger war der spätere Papst Clemens VI. (um 1290-1352, Papst seit 1342). Karl wurde stark von der spätmittelalterlichen Marienfrömmigkeit am französischen Königshof beeinflusst. Als Statthalter seines Vaters versuchte Karl 1331-1333, eine luxemburgische Herrschaft in Oberitalien aufzubauen, was aber scheiterte. 1334-1346 übernahm er für seinen meist in Luxemburg oder Frankreich weilenden Vater die Regentschaft in Böhmen. Parallel dazu verwaltete er zwischen 1336 und 1341 die Grafschaft Tirol für seinen minderjährigen Bruder Johann Heinrich (geb. 1322), was ihm neben den Tiroler Ständen König Ludwig den Bayern zum Feind machte.

Schöner Brunnen, Kolorierte Werkzeichnung der Statue Karls IV. (Stadtarchiv Nürnberg A 7/II Nr. 277)

Schöner Brunnen, Kolorierte Werkzeichnung der Statue Karls IV., 1902-1904 (Stadtarchiv Nürnberg A 7/II Nr. 277)

Am 11. Juli 1346 wurde Karl mit Hilfe seines ehemaligen Erziehers, des jetzigen Papstes Clemens VI., von fünf Kurfürsten (darunter die drei rheinischen Erzbischöfe und sein Vater als König von Böhmen) zum Gegenkönig gegen den gebannten Ludwig den Bayern zum deutschen König gewählt, was ihm den Spottnamen „Pfaffenkönig“ eintrug. Kurze Zeit später folgte er am 26. August 1346 seinem Vater als König von Böhmen nach. Nach dem Tod Ludwigs des Bayern (11. Oktober 1347) kam es im Reich 1347-1349 zum Machtkampf zwischen den Luxemburgern und den Wittelsbachern. Karl IV. erkaufte sich dabei vielerorts Unterstützung mit dem eingezogenen Vermögen der Juden, die in einer Welle durch ihn veranlasster oder gebilligter Pogrome ermordet wurden. So vergab er u.a. ab April 1349 mehrfach das Eigentum Nürnberger Juden für den Fall, dass diese bald erschlagen würden.

Nach der Erkrankung und Abdankung des wittelsbachischen Gegenkönigs Günther von Schwarzburg sowie seinem Tod wurde Karl am 17. Juni 1349 erneut und diesmal einstimmig zum deutschen König gewählt und kurz darauf in Aachen gekrönt. Nachdem sich Karl IV. 1365 in Arles auch zum König von Burgund hatte krönen lassen, hatte er als erster mittelalterlicher Kaiser seit Friedrich I. Barbarossa wieder alle drei Teile des mittelalterlichen Reiches in seiner Hand vereint: Deutschland, Italien und Burgund.

Braunes Wachssiegel Kaiser Karls IV. an einer Urkunde für Conrad Waldstomer vom 18. Dezember 1355 (Stadtarchiv Nürnberg A 1, 1355 Dezember 18)

Braunes Wachssiegel Kaiser Karls IV. an einer Urkunde für Conrad Waldstomer vom 18. Dezember 1355 (Stadtarchiv Nürnberg A 1, 1355 Dezember 18)

Karls 32-jährige Regierungszeit ist eine der längsten der deutschen Königsgeschichte. Sie ist gekennzeichnet durch eine strikte Bevorzugung diplomatischer vor kriegerischen Mitteln sowie durch eine gezielte Förderung der Städte durch Handelsprivilegien. Persönlich war Karl sehr gebildet, sprach fünf Sprachen (Französisch, Deutsch, Italienisch, Lateinisch, später auch Tschechisch) und verfasste 1346 als erster deutscher Herrscher eine Autobiographie. 1348 gründete er mit der Universität Prag die erste deutsche Universität. Karl starb am 29. November 1378 in Prag.

Kaiser Karl IV., Hausfigur am alten Rathaus (Kopie), Fotografie Julia Kraus/Jasmin Staudacher (Stadtarchiv Nürnberg A 96 Nr. 2419)

Kaiser Karl IV., Hausfigur am alten Rathaus (Kopie), Fotografie Julia Kraus/Jasmin Staudacher (Stadtarchiv Nürnberg A 96 Nr. 2419)

Im Zusammenhang mit dem Thronstreit zwischen Kaiser Ludwig dem Bayern und Karl IV. kam es 1348/49 in Nürnberg zum so genannten Handwerkeraufstand, der von der Mehrheit des patrizischen Rats mit Karls Hilfe niedergeschlagen wurde. Dies begründete das künftig äußerst enge Verhältnis Nürnbergs zu Karl IV. In dessen politischen Zielsetzungen spielte Nürnberg eine maßgebliche Rolle. Es sollte zum Zentrum der von Karl seit 1353 aufgebauten Landbrücke von Böhmen über die Oberpfalz (Neu-Böhmen) bis ins Rheingebiet werden und einen quasi territorialstaatsfreien Raum für Begegnungen des Kaisers mit den Reichsständen bilden. Diese Pläne machte Karl auf vielfältige Weise öffentlich: durch 52 teilweise längere Aufenthalte und Abhaltung etlicher Hoftage in Nürnberg sowie durch die verfassungsmäßige Aufwertung der Stadt in der Goldenen Bulle als die Reichsstadt, in der ein neugewählter deutscher König seinen ersten Reichstag abzuhalten hatte. Karl IV. bezeichnete Nürnberg als „vornehmste und bestgelegene Stadt des Reiches", hier ließ er seinen Sohn und Nachfolger Wenzel IV. zur Welt kommen und taufen.

Westfassade der Frauenkirche am Hauptmarkt, Fotografie Julia Kraus 2012 (Stadtarchiv Nürnberg A 96 Nr. 1117)

Westfassade der Frauenkirche am Hauptmarkt, Fotografie Julia Kraus 2012 (Stadtarchiv Nürnberg A 96 Nr. 1117)

Taktisch klug hielt er durch wechselseitige Verleihung von Rechten das labile Gleichgewicht zwischen der Stadt und den konkurrierenden Burggrafen von Nürnberg aus dem Hause Zollern aufrecht. Dank seiner Mithilfe konnte Nürnberg die Reichsstädte Windsheim und Weißenburg aus der Pfandschaft der Zollern lösen und eine jahrhundertelange Schutzmachtstellung über beide Städte begründen. Mit umfangreichen Zollfreiheiten und anderen Privilegien wurden die großen Handelsgesellschaften bei der Erschließung neuer Märkte, besonders in Ungarn und Polen, gegen italienische Konkurrenz (vor allem Venedigs) unterstützt und dadurch der Aufschwung der Nürnberger Wirtschaft weiter forciert. Im Gegenzug gewährte die Stadt dem Kaiser mehrfach großzügige Geldgeschenke.

Auch das äußere Erscheinungsbild Nürnbergs prägte Karl wesentlich mit, indem er 1349 die Errichtung des Hauptmarkts anstelle des abgebrochenen Judenviertels gestattete und ab 1355 den Bau der Frauenkirche forcierte. Durch sie begründete er in Nürnberg einen bis weit ins 15. Jahrhundert anhaltenden böhmischen Einfluss auf die Kunst. Die Stadt wurde nun auch zu einem kulturellen Mittelpunkt des Reichs.

Informationen zur Tagung Politik.Macht.Kultur, Nürnberg und Lauf unter Kaiser Karl IV. und seinen Nachfolgern (17. bis 19. Juni 2016) finden Sie hier.

Kaiser Karl IV. Eintrag in einer Nürnberger Chronik des 17. Jahrhunderts (Stadtarchiv Nürnberg F 1 Nr. 132, fol. 215v-216r)

Kaiser Karl IV. Eintrag in einer Nürnberger Chronik des 17. Jahrhunderts (Stadtarchiv Nürnberg F 1 Nr. 132, fol. 215v-216r)

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